Performing Privilege

Das Theaterfestival Schwindelfrei 2018 fragt in seiner sechsten Ausgabe nach der Darstellung und Sichtbarmachung von Privilegien.

Privilegien sind schön und unsichtbar, weil sie normal sind für die, die sie haben. Die Unauffälligkeit, mit der ich durch die Stadt gehen kann und respektvoll behandelt werde. Gesetze, die zu meinem Schutz gemacht sind. Die Polizei, die mir hilft. Jobs, die ich bekomme auch bei viel Konkurrenz. Privileg ist die sanfte Gewissheit, dass die Welt für mich gemacht ist.  Privileg ist auch die Wahl, ob ich über Privilegien nachdenken möchte oder nicht. "Having them, knowing them, not wanting them? Well, that's the privilege of privileges" singt die Popsängerin Molly Nielsson.

Denn ein Paradox von Privilegien ist: Wer sie hat, profitiert von ihnen, ohne es zu 'wollen'.

 

Ich profitiere täglich von meinem Weiß-Sein, auch wenn ich keine Rassist*in bin. Männer haben berufliche Vorteile, auch wenn sie für Gleichberechtigung sind. Ich bin gegen Ausbeutung von Menschen im globalen Süden, aber mein täglicher Einkauf von Lebensmitteln zementiert ihre Armut. Mit einem deutschen Pass steht mir die Welt offen, ob ich reisen möchte oder nicht. In der globalisierten Welt leben weitaus mehr Verlierer*innen als Gewinner*innen, die Schere zwischen Arm und Reich wird überall größer und durch das Internet wissen alle, wo sich der Reichtum der Wenigen konzentriert. Hier werden Mauern gebaut um Privilegien zu schützen, von der Festung Europa bis zur Gated Community.

PERFORMING PRIVILEGE fragt nach der Sichtbarmachung und Darstellung von Privilegien. Geschichten von Hochstapler*innen zeigen Privileg als präzise Performance und durchziehen die Weltliteratur. Von Felix Krull bis zum großen Gatsby spielen sie den amerikanischen Traum mit Abkürzung durch: Performance statt Arbeit. In den Transformationsmärchen von der Unterschichtsfrau zur Dame, von Aschenputtel über Eliza Doolittle zu Pretty Woman und 'Germanys Next Topmodel‘ wird die Erziehung zum weiblichen Hochstatus als harte Arbeit an Sprache und Körper gezeigt. Der Körper eines heutigen Mager-Models zeigt privilegierte Selbst-Kasteiung im Kontrast zu einem wirklich hungernden Körper. Geschichten, in denen Schwarze als Weiße und Frauen als Männer durchgehen (= passing), oder sich bewusst als solche ausgeben beschreiben Privileg als notwendige Täuschung um Ziele zu erreichen. Körper, Esskultur, Mode und Sprache sind Kennzeichen von Privilegien, die auch gezielt eingesetzt werden: Wie inszeniere ich meinen Körper? Was nehme ich (nicht) zu mir? Mit was bedecke ich mich? Wie bewege ich mich und welcher Sprache kann ich mich bedienen? Welche Zugehörigkeit behaupte ich damit? Ist Bioessen ein Privileg, das Armen nicht zusteht? Welche Privilegien sind in Körper eingeschrieben ob wir wollen oder nicht? Wo und wie wird Privileg dargestellt? Wer hat das Privileg zu performen vor zahlendem Publikum?

Das Theaterfestival Schwindelfrei 2018 sucht nach der analytischen Nabelschau, dem kritischen Weiß-Sein, den heutigen Hochstapler*innen, der unmöglichen Augenhöhe, den Mode-Codes des sozialen Aufstiegs und der Frage, ob wir wirklich bereit wären, die eigenen Privilegien zu teilen.

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